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Im Bikini am Nordkap

Pedro Lipp ist als Reiseleiter seit zehn Jahren auch für car-tours unterwegs und hat viele witzige und spannende Geschichten im Gepäck.

«Das Nordkap zieht Reisende an wie ein Magnet. Einmal im Leben möchten sie diesen Ort sehen, auf diesem 317 Meter hohen Felsen am Rand von Europa stehen und auf das Eismeer blicken, das trotz seines Namens nie gefroren ist – dem Golfstrom sei Dank. Es ist ein magischer Ort, an dem das Wetter aber zugegebenermassen oft sehr schlecht ist. Meist bläst ein starker Wind, der Nebel ist so dicht, dass man das Wasser nicht sieht, es schneit oder regnet und ist kalt. Damit die Gäste nicht enttäuscht sind, bereite ich sie auf einer Reise ans Nordkap jeweils schon früh darauf vor, dass die Bedingungen möglicherweise unwirtlich sein werden und dass der Weg das Ziel ist. Denn die Strecke zum äussersten Ende des Kontinents und die Fahrt über die Insel Magerøya, ist wunderschön. Die karge Landschaft ist beeindruckend und oft ist das Wetter im Süden der Insel noch schön; was allerdings keineswegs bedeutet, dass es auch am nördlichsten Punkt gut ist. Ich bete den Gästen unterwegs also schon fast vor, dass es am Nordkap oben wahrscheinlich «chuta, regna und schneia» wird, bis sie es selber wiederholen und es eine Art Running Gag wird.

Mit einer Gruppe sass ich eines Abends in Karasyok, der Sami-Hauptstadt Norwegens, in einem Samizelt ums Lagerfeuer. Das Holz knisterte, wir tranken Kaffee, hockten auf Rentierfellen im Rauch und erzählten uns Geschichten. Gerade wollte ich wieder anfangen, «am Nordkap oben wird es chuta …», da winkte die Gruppe schon ab und eine Teilnehmerin brachte einen mutigen Vorschlag: «Wetten, dass das Wetter wunderschön ist, wenn wir dort sind?», sagte sie. «Ich werde im Bikini auf dem Felsen posieren.» Das wollte sich der Rest der Gruppe nicht entgehen lassen, und wir nahmen sie beim Wort. Der Tag rückte näher, wir erreichten die Insel Magerøya und wie so oft war das Wetter im Süden sehr gut, doch ich war skeptisch, dass es bis zum Nordkap so bleiben würde. Trotzdem sagte ich der Teilnehmerin, sie solle ihr Bikini unter den vielen warmen Kleidern anziehen. Und siehe da: Wir erreichten das Nordkap bei strahlendem Sonnenschein, wie ich es auf meinen vielen Reisen dorthin noch nie gesehen hatte. Das Wetter war aussergewöhnlich schön, wir blinzelten gegen das Licht und konnten es kaum glauben. Klar wurde von der Dame gefordert, ihre Wette einzulösen. Sie hielt ihr Wort und zog sich mutig aus, bat mich aber, mit ihr beim grossen Globus zu posieren. Wir stiegen hoch, es war tatsächlich nicht sehr kalt, und hatten blitzartig ein riesiges Publikum. Es waren längst nicht mehr nur unsere Kollegen, die Fotos von der Nixe im Bikini am Nordkap machten. Ihr wurde das fast ein bisschen zu viel und sie rief allen zu: «Bitte nichts auf Facebook stellen.» Ob sich alle Fotografen darangehalten haben, weiss ich nicht. Aber ich hatte eine gute neue Geschichte, und wenn ich einer Gruppe nun im Bus erzähle, dass es am Nordkap «chuta, regna und schneia» wird, kann ich den Damen auch gleich einen Tipp mitgeben, wie sie uns vielleicht zu gutem Wetter verhelfen können.»

Ein Leben fürs Reisen
Pedro Lipp hat Tourismus studiert und arbeitetseit 1987 in der Reisebranche, die meiste Zeit davon im Ausland. Er war auf Kreuzfahrtschiffen tätig, hat als stationärer Reiseleiter unter anderem auf den Kanarischen Inseln, Jamaica und Griechenland gelebt und war mehrere Jahre lang Club Manager von Sporthotels in Portugal, Griechenland, der Türkei und in Sri Lanka. Als in Sri Lanka wegen des Bürgerkrieges Gäste wegblieben, veranstaltete er verschiedene Events im Hotel, um einheimische Besucher anzuziehen. Lipp, der in seinem Job immer schon auch als Entertainer und Sänger tätig war, moderierte diese Events, so wurde das srilankische Fernsehen auf ihn aufmerksam und engagierte ihn für Sendungen wie die Wahlen der Miss Sri Lanka als Moderator. Nach der Rückkehr in die Schweiz kam sein Sohn zur Welt, Lipp kümmerte sich als Hausmann um die Familie, im Winter betreute er einen Marronistand. Zwischendurch war er auch als Landschaftsgärtner tätig und arbeitete bei einem Reiseveranstalter sowie in einem Reisebüro, bevor er Reiseleiter für Gruppenreisen ab der Schweiz wurde.

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