Höhepunkte am Polarkreis auf der Costa Favolosa mit Susanna Giovanoli

Susanna Giovanoli
Höhepunkte am Polarkreis auf der Costa Favolosa
Es ist Mitte Juli, und während in der Schweiz der Sommer in voller Blüte steht, beginnt für mich und meine 48 Reisegäste ein Abenteuer, das uns an Orte führt, von denen wir einst nur in Büchern gelesen haben – ganz in den hohen Norden, wo die Sonne im Sommer nie untergeht, wo Fjorde auf Gletscher treffen und die Welt stiller, klarer, rauer und wunder-wunderschön ist.
Unsere Reise beginnt mit einem kurzen Flug von Zürich nach Hamburg. Hier angekommen, bringt uns ein Transfer-Bus direkt zum Hafen – und da liegt sie: Die Costa Favolosa, ein schwimmender Palast und unser Zuhause für die nächsten 18 Tage.
Die Aufregung unter uns ist spürbar, schliesslich steht uns eine aussergewöhnliche Kreuzfahrt bevor, die uns bis «ans Ende der Welt», bis in die Arktis bringen soll.
Unser erster Stopp nach einem Tag auf See ist Bergen, die zweitgrösste Stadt Norwegens. Bergen empfängt uns mit einem „Postkartenwetter“ für diese sonst so regenreiche Stadt. Wir fühlen uns sofort in eine nordische Märchenwelt versetzt mit den vielen bunten Holzhäusern am Hafen und den grünen Hügel rund um uns. Der berühmte Fischmarkt lockt mit Lachs, Krabben und Rentierwurst – wir probieren alles. Einige von uns gehen zu Fuss, anderen fahren mit der Floibanen hinauf auf den Floyen – die Aussicht über Stadt, Meer und Berge ist spektakulär. Die Luft ist frisch, salzig, würzig.

Die Costa Favolosa fährt weiter nordwestlich und nach einem Seetag erreichen wir Island.
Wir bleiben drei Tage auf dieser wunderschönen Insel der Gegensätze. Wo immer wir hinschauen, wir sehen steile Wasserfälle die von Berghängen hinunterstürzen, grüne Hügel die auf tiefblaues Wasser treffen. Wir sehen das viele hellgrüne Moospolster über das erkaltete Lavagestein und immer noch treffen wir auf das leuchtende Violett der Lupinen.
Als erstes steuern wir Seydisfjördur an. Per Tenderboot setzen wir an Land. Der kleine Ort selbst wirkt wie gemalt – bunte Häuser, eine hellblaue Kirche, eine Strasse mit Regenbogenpflaster. Wir machen uns auf zu einer Wanderung. Immer wieder tauchen Wasserfälle auf – jeder für sich mächtig, tosend, voller Energie. Wir stehen davor, nass vom Sprühnebel, und sagen kein Wort. Es gibt einfach nichts zu sagen, was die Kraft dieser Natur in Worte fassen könnte. Wir begegnen kaum einem Menschen. Stattdessen traben Islandpferde mit wehendem Mähnenhaar und ruhigem Blick über die grünen Wiesen. Schafe kletterten über Hänge, als sei es das Normalste der Welt, mitten im Nirgendwo zu sein.
Weiter geht’s nach Akureyri, Islands charmante Metropole des Nordens. Schon bei der Einfahrt in den Eyjafjordur sehen wir mehrere Buckelwale, welche mit ihren mächtigen Körper die Wasseroberfläche durchbrechen, ehe sie mit eleganter Bewegung wiederum abtauchen. Ein Moment, der sprachlos macht. Wir schlendern durch die lebhaften Gassen, besuchen den Botanischen Garten, wo inmitten des arktischen Klimas Blumen aus aller Welt blühen – ein kleines Wunder. Auch der mächtige Godafoss Wasserfall begeistert und macht uns sprachlos.
Der nächste Halt ist Ísafjördur, ein abgeschiedener Ort, eingebettet in dramatische West-Fjordlandschaften. Die Berge hier wirken beinahe bedrohlich nah, das Meer tief und ruhig. Der Ort ist klein, fast verschlafen. Wir fahren zum Dynjandi Wasserfall und erkunden die Umgebung auf einer Wanderung – und finden Stille. Wir sind begleitet vom Summen der Insekten, vom Kreischen der Möwen und vom ewigen Rauschen des Wassers. Keine Strassen, keine Stimmen, nur der Wind, das Wasser, das leise Knistern unserer Schritte. Überall duftet es nach Moos, nach Wildkräutern und Meer.

Und nun: Auf zu den weissen Weiten des Nordens – dort, wo die Welt aufhört und das Eis beginnt. Zwei Seetage liegen vor uns bis wir den geheimnisvollen achten Erdteil erreichen.
Die Arktis ist die Polarregion rund um den Nordpol und umfasst den nördlichsten Teil der Erde. Im Zentrum liegt das Eismeer – ein gefrorener Ozean, der von Landmassen wie Grönland, Kanada, Alaska, Sibirien und Spitzbergen umgeben ist. Die Region ist geprägt von ewigem Eis, Permafrost, arktischem Klima und extremen Lichtverhältnissen: während der Polarnacht im Winter, scheint monatelang keine Sonne, und während der Mitternachtssonne im Sommer, geht die Sonne monatelang nicht unter. Trotz der lebensfeindlichen Bedingungen beherbergt die Arktis eine beeindruckende Tierwelt: Eisbären, Polarfüchse, Robben, Walrosse, Wale und Millionen Zugvögel haben sich an die Kälte angepasst. Auch indigene Völker wie die Inuit leben seit Jahrhunderten in dieser Region. Die Arktis ist nicht nur ein Naturwunder, sondern auch ein sensibles Ökosystem. Der Klimawandel trifft sie besonders stark: Das Meereis schmilzt, Tierlebensräume verändern sich – und die Arktis wird so zum globalen Symbol für die Fragilität unseres Planeten.
Dann ist der Moment da, auf den wir uns am meisten gefreut haben. Wir erreichen Spitzbergen, genauer gesagt Longyearbyen, die nördlichste Stadt der Welt mit einer ständigen Bevölkerung, und erst noch per Kreuzfahrtschiff erreichbar. Wir befinden uns auf rund 78° nördlicher Breite. Die Distanz zum Nordpol beträgt gerade mal 1’100 Km. Ein überwältigender Gedanke – näher kommen wir dem Ende der Welt wohl nie wieder ?! Wir befinden uns definitiv an einem ganz speziellen Ort auf diesem Planeten.
Meine Gäste sind toll. Unsere Gespräche drehen sich oft um Eis, Landschaft, zottelige Rentiere, Eisbären, Wale und das Wetter von morgen. Es herrscht ein ganz besonderer Zusammenhalt unter uns. Wir alle spüren: wir erleben hier etwas Einzigartiges. Es ist eine Begegnung mit der Urkraft der Natur. Das ist Magie. Reine, arktische Magie.

Wir stehen am Bug des Kreuzfahrtschiffs, das langsam durch das Nordmeer gleitet. Der Wind ist frisch und rein und trägt den seltsamen Geruch von Salz und Schnee. Selbst bei sieben Grad Celsius fühlt sich jeder Atemzug wie eine Erfrischung von innen an.
Und dann tauchen sie auf, die Spitzbergen: karg, majestätisch, überwältigend. Die Landschaft, noch in Wolken eingehüllt, ist ein einziges „WOW“ – so roh und ungezähmt, dass sie fast ausserirdisch wirkt. Rechts und links türmen sich schroffe, von Gletschern geformte Berge auf. Keine Bäume, kein Lärm – nur der kühle Wind, das Rufen eines Eissturmvogels und über allem: die Mitternachtssonne. Es ist still. Friedlich. Wunderschön.
Wir suchen mit dem Fernglas nach Walen und Seevögel und wir sind voller Hoffnung: vielleicht entdecken wir einen gelblich-weissen Punkt am Horizont, der sich langsam bewegt. Vielleicht sehen wir heute einenEisbären? Diese Könige der Arktis streifen durch die Weiten von Spitzbergen, über Treibeisfelder, an Küsten entlang, auf der Suche nach Robben.
Unsere Abenteuer an Land, und nun bei Sonnenschein, umfassen u.a. den Besuch des Svalbard-Museum, wo wir vieles über Eisbären, Polarforscher und das harte Leben früherer Siedler lernen. Warm gekleidet und mit einem lokalen Guide gehen wir auf eine geführte Tundra-Wanderung, denn ausserhalb der Stadt darf man sich nur mit bewaffneter Begleitung bewegen. Eisbären könnten jederzeit auftauchen. Wir entdecken arktische Blumen, kleine, zähe Pflanzen, die sich an das extreme Klima klammern. Die Natur ist karg – und doch voller Leben. Auf einer Bootstour gleiten wir an Gletschern vorbei. Eine Gruppe Walrosse liegt faul auf einer Sandbank, dick, schmatzend, schnaufend. Wir erleben eine Hunde-Schlittentour auf Rädern, geführt von begeisterten Mushern und begleitet von freudig bellenden Huskys.
Die Arktis ist nicht leer – sie ist gross, still, tief und ganz anders als alles, was viele von uns je gesehen und erlebt haben. Wir verlassen die Spitzbergen mit einem Koffer voller unvergesslichen Erlebnisse und einer Kamera voller spektakulärer Fotos und fahren weiter Richtung Süden.

Nach Spitzbergen fühlt sich der nächste Stopp in Honningsvag fast wieder „zivilisiert“ an – und doch sind wir am «nördlichsten Punkt Europas», dem sagenumwobenen Nordkap. Der Weg hierher führt uns an endlosen Fjorden, Rentierherden und schroffen Landschaften vorbei. Die Klippe, 300 m über dem Eismeer, ist ein mythischer Punkt, für die einen auch ein Ort von spiritueller Wucht. Hier, wo das «Festland endet», weht heute ein eisiger Wind, selbst jetzt im Juli. Die Kugel-Skulptur am Rand der Welt ist ein beliebtes Fotomotiv – doch ich bleibe dieses mal lieber still, schaue hinaus aufs Meer und frage mich, was wohl jenseits des Horizonts liegt.
In Tromso, auch „Pforte zur Arktis“ genannt, fahren wir als erstes mit der Seilbahn auf den 420 m hochgelegenen Storsteinen und geniessen einen fantastischen Blick über die Stadt und das Meer und die umliegenden Berge. Danach besuchen wir die beeindruckende Eismeerkathedrale, deren markante Architektur und bunte Glasfenster begeistern. Wir schlendern durch die Einkaufsstrassen, besuchen das Polaria-Museum, den botanischen Garten und geniessen heisse Waffeln in einem kleinen Café. Die Stadt ist lebendig und weltoffen – ein Kontrast zur Einsamkeit Spitzbergens. Und doch umweht auch Tromso dieser Hauch von Polarnähe.
Unser letzter Halt in Norwegen ist das kleine Küstenstädtchen Maloy. Es liegt eingebettet zwischen Atlantik und Fjell – ein Ort, der oft unterschätzt wird. Mit dem Schlauchboot fahren wir zum Vogelschutzgebiet, wo wir auf Papageientaucher oder Trottellummen zu sehen hoffen. Einige Gäste wandern zur Kannesteinen-Felsformation, die wie ein Pilz aus dem Meer ragt.
Ein paar letzte Fotos, ein letzter Schluck arktischer Luft – der Abschied naht.
Am letzten Tag unserer Kreuzfahrt gleiten wir zurück in den Hamburger Hafen – unser Ausgangspunkt und nun auch der Abschlussort einer Reise, die uns bis fast an den Rand der Welt geführt hat.
Mit ein bisschen Wehmut verabschieden wir uns von der Costa Favolosa – einem Schiff, das nicht nur Transportmittel war, sondern auch Zuhause. An Bord hat es uns an nichts gefehlt. Die Kabinen waren komfortabel. Die kulinarischen Erlebnisse in den verschiedenen Restaurants waren abwechslungsreich und hochwertig. Die freundliche Crew hat mit Herzlichkeit und Professionalität dafür gesorgt, dass wir uns rundum wohlfühlten.

Bevor es zurück an den Flughafen und nach Zürich geht, begeben uns auf unserem letzten Höhepunkt dieser Reise: eine Stadtrundfahrt durch Hamburg. Gemütlich im Bus sitzend, entdecken wir ganz entspannt die schönsten Ecken der Hansestadt. Wir fahren durch die historische Speicherstadt mit ihren roten Backsteinbauten und historischen Lagerhäusern, sehen die moderne und imposante Elbphilharmonie. Auch das prachtvolle St. Michaelis, das Rathaus und die Binnenalster mit ihren eleganten Fassaden ziehen an uns vorbei. Unsere Reiseleiterin Angela unterhält uns mit spannenden Anekdoten und sorgt dafür, dass wir Hamburg auf angenehme und unterhaltsame Weise kennenlernen können.
Diese Reise war definitiv mehr als nur eine Reise über das Meer. Sie ist eine Reise für die Seele. Sie ist ein Eintauchen in die Natur, in Geschichte, in Extreme, in entlegene Welten, zu Orten, an denen der Mensch nur Gast ist. Wo, wenn nicht auf dieser Reise kann man Eisbären erspähen, Walrösser schnaufen hören und unter der Mitternachtssonne, die auch noch um 2 Uhr nachts über dem Horizont steht, träumen?
Einmal mehr hat mich der Norden tief berührt. Ich habe gespürt, wie klein wir Menschen sind – und gleichzeitig, wie gross die Welt sein kann, wenn man ihr mit offenen Augen begegnet.
Liebe LeserInnen, wenn Sie je die Möglichkeit haben, Spitzbergen zu besuchen: Tun Sie es. Es wird Sie begeistern und vielleicht auch verändern.
Herzlichst, Ihre Reiseleiterin, Susanna Giovanoli