Buon appetito am Lago Maggiore mit Luzius Thürlimann
Luzius Thürlimann
Buon appetito am Lago Maggiore
Aussichtsreich beginnt die Reise in den Süden. Statt durch den Gotthard-Strassentunnel fährt uns Chauffeurin Andrea Schlunegger im Zerzuben-Car sicher und sanft über den Gotthardpass. Die meisten Mitglieder der unternehmungslustigen Car-Tours-Reisegruppe kennen die Strecke. Doch die wilde Schöllenenschlucht und die mächtige Gebirgskulisse am Gotthardhospiz vermögen immer wieder aufs Neue zu faszinieren. Auch auf der Weiterfahrt stellt die Fahrerin Andrea ihr Können unter Beweis. Die Strasse am Westufer des Lago Maggiore ist schmal. Das Kreuzen unseres Busses mit anderen grossen Fahrzeugen wird zur Zentimeterarbeit. Andrea meistert die Herausforderung mit Bravour und chauffiert uns ohne den geringsten Kratzer nach Stresa, unserem Reiseziel.
Stresa gilt als Perle des Lago Maggiore. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbrachte hier die Haute Volée Europas ihren Urlaub. Mit der Eröffnung der Simplonbahn 1906 konnten die noblen Gäste aus London und Paris mit dem Orient-Express direkt nach Stresa fahren. Auf einem ersten Rundgang bewundern einige unserer Teilnehmer die pompösen Hotelpaläste und Jugendstil-Villen mit ihren üppigen Parks und Gärten. Während der fünf Tage in Stresa wohnen wir im Hotel Moderno. Es befindet sich mitten in der belebten Altstadt, nur wenige Schritte von der Seepromenade entfernt.
Am ersten Besichtigungstag führt uns die kundige lokale Reiseführerin Karin Ranzani in die Region Novara. Die zweitgrösste Stadt des Piemont liegt in der Poebene und ist das Zentrum des italienischen Reisanbaus. Auf seinem Hof zeigt uns der Reisbauer Flavio Crespi, wie die Reispflanze auf dem mit Wasser gefluteten Feld heranwächst, geerntet und in der Reismühle zum Endprodukt verarbeitet wird. Den weiteren Weg des Reises bis in unsere Teller können wir in der Trattoria Cavallino Bianco im Zentrum von Novara verfolgen. Die Patronin und der junge Koch führen uns vor, wie aus dem Reis unter Zugabe von Lebermortadella, Schweineschwarte, verschiedenen Gemüsen und Rotwein eine Paniscia, das typische novaresische Risotto-Gericht, wird. «Buon Appetito» heisst es beim anschliessenden Genuss der herzhaften Spezialität.
Nicht ganz leicht fällt es einigen Teilnehmern, nach dem reichhaltigen Mittagessen und einem oder zwei Gläsern Barbera wieder auf die Beine zu kommen. Unsere Tour im Zentrum Novaras wird zum Verdauungsspaziergang. Lokalführerin Karin begleitet uns durch die Arkaden der geschäftigen Altstadt, zum Dom und zur Basilika des heiligen Gaudenzio. Mit ihrer 121 Meter hohen Kuppel ist die Basilika das Wahrzeichen Novaras.
Kontraste prägen die vielseitige Landschaft rund um den Lago Maggiore. Nach dem Ausflug ins flache Land südlich des Sees fahren die Car-Tours-Gäste am folgenden Tag nordwärts ins gebirgige Val d’Ossola. Der Fluss Toce hat dieses nördlichste Tal des Piemont durch eine beeindruckende Alpenregion zwischen dem Wallis und dem Tessin bis zum Lago Maggiore geformt. Der Hauptort Domodossola ist für die Schweizer, vom Simplon oder Centovalli herkommend, das Tor zu Italien. Für die Italiener ist er ein wichtiger Übergang zur nahen Schweiz. Barbara Polli, unsere heutige Lokalführerin, begleitet die interessierte Gruppe durch den hübschen und geschäftigen Marktort. Am Bahnhof Domodossola besteigen wir die Centovalli-Bahn, die uns über viele Kehren, Brücken und Tunnels hinauf ins wilde Valle Vigezzo bringt. In Santa Maria Maggiore, dem höchsten Ort des Tals, erinnern Schornsteinfeger-Figuren auf den Dächern an eine lange Tradition des Bergdorfs. Viele junge Männer aus der Gegend zogen im 19. und frühen 20. Jahrhundert in andere Teile Italiens und Europas, um als Schornsteinfeger zu arbeiten. Dies geschah oft aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, da die Region arm war und wenige andere Erwerbsmöglichkeiten bot.
Nach der Mittagspause bringt Andrea die gut gelaunte Gruppe mit dem Car zurück ins Val d’Ossola. Ziel ist das Dorf Oira, wo uns Weinbauer und Käser Mario Garrone zu einem Rundgang durch die verwinkelten Gassen mit den traditionellen Steinhäusern und die alte Käserei erwartet. Gerne nehmen die Car-Tours-Gäste in seiner gemütlichen Cantina Platz, um den schmackhaften Käse, den Salami, die Pancetta und das Schwarzbrot aus der Region zu probieren. Dazu degustieren sie den typischen Nebbiolo «Prünent», daneben einen Chardonnay, einen Moscato und einen Grappa – alles Tropfen aus Garrones Produktion.
Den dritten Besichtigungstag widmet unsere Gruppe ganz dem Lage Maggiore, dem herrlichen See vor unserer Hoteltür in Stresa. Die Italiener nennen ihn nach dem alten lateinischen Namen auch Verbano, die Deutschsprachigen Langensee. Die meisten unserer Gruppenmitglieder kennen den oberen zum Tessin gehörenden Seeteil, der aber nur ein Fünftel des Lago Maggiore ausmacht. Der Rest des Sees, den sich die italienischen Regionen Piemont (Westufer) und Lombardei (Ostufer) teilen, ist weit weniger bekannt. Das Fortbewegungsmittel ist heute für einmal nicht der Car, sondern das Schiff. Einige Teilnehmer der Gruppe fahren am freien Vormittag von Stresa nach Santa Catarina del Sasso hinüber. Die mittelalterliche Klosteranlage am lombardischen Seeufer klebt wie ein Adlerhorst an einer hohen senkrechten Felswand.
Am Nachmittag bricht die ganze Gruppe zu einer Kreuzfahrt zu den borromäischen Inseln auf, begleitet von der einheimischen Führerin Barbara Dellera. Auf der Isola Bella liess Graf Carlo Borromeo, ein Spross des wohlhabenden Mailänder Adelsgeschlechts Borromeo, im 17. Jahrhundert einen riesigen Palast bauen. Unsere Car-Tours-Gruppe ist von der barocken Pracht der Repräsentationsräume beeindruckt. Nicht weniger überwältigend ist der umliegende Park. In den auf zehn verschiedenen Niveaus angelegten subtropischen Gärten gibt es Palmen, Akazien, Orangenbäume, Skulpturen, Brunnen, Lauben, weisse Pfauen und in allen Farben blühende Hortensien.
Wesentlich bescheidener präsentiert sich die benachbarte Isola dei Pescatori. Auf der Insel sind wir fast die einzigen Besucher. Unserer Gruppe sagt die beschauliche Atmosphäre des Fischerdorfs zu. Wir besteigen wieder unser Schiff, das eine Runde auf dem borromäischen Golf hinüber nach Verbania und zur Isola Madre dreht. Dabei lassen wir es uns bei einem Apéro gutgehen. Auf der Isola Bella gehen wir von Bord und lassen uns auf der Terrasse des Ristorante Elvezia nieder. Es ist der letzte Abend unserer Reise. Die Küchenequipe verwöhnt uns mit einem Nachtessen bestehend aus Pasta mit Gemüse, zwei Fischgerichten, Zitronenkuchen und Weinen aus der Region. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sich einig: Das war ein vorzügliches Abschiedsdinner! Beschwingt besteigen wir in der Abenddämmerung das Boot zurück nach Stresa.
Die Heimreise am nächsten Tag ist mehr als eine blosse Verschiebung von A nach B. Nachdem sich die Witterung an den vorhergehenden Tagen von ihrer launischen Seite gezeigt hatte, herrscht heute Postkartenwetter. Unsere Gruppe geniesst auf der Fahrt über den Simplon, das Goms und die Grimsel den Ausblick auf die verschneiten Gipfel der Walliser und Berner Alpen.
Bereichert mit vielen Eindrücken treffen die Mitglieder unserer Car-Tours-Gruppe an den verschiedenen Ausstiegsorten ein. Im Bel Paese erlebten sie wunderbare Landschaften, imposante Baudenkmäler und lebensfrohe Menschen sowie zahlreiche Gaumenfreuden, getreu dem Titel der Reise «Buon Appetito am Lago Maggiore».