Das Märchen von Andermatt
Tagtraum 7 | 1-tägige Reise
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CHF139Das Märchen von Andermatt
Der Name Andermatt weckt Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Es sind Erinnerungen daran, wie wir als blutjunge Gebirgsgrenadiere irgendwo im Gotthardmassiv scharfe Hohlpanzergranaten auf unsere Sturmgewehre pflanzten und sie am gegenüberliegenden Berghang explodieren liessen. Neben mir im Dreck lag ein gewisser Hans Peter Danuser. Der junge HSG-Student verteidigte den Gotthard wesentlich überzeugender als ich gegen den unsichtbaren Feind und handhabte auch Gewehr und Granaten besser.
Er brachte es entsprechend weit und quittierte den Dienst später als Major. Bemerkenswerterweise war er nie ein Militärkopf. Danuser legte dann in der Tourismusbranche eine der glanzvollsten Karrieren hin. In über drei Jahrzehnten pushte er die Marke St. Moritz zum Global Brand und zur weltweit bekanntesten Feriendestinationsmarke schlechthin. Er holte für den Engadiner Nobelkurort über zehn Millionen Franken an Lizenzgebühren herein und wurde dann, kurz vor der Pensionierung, von den Neidern stillos entsorgt. Doch das ist eine andere Geschichte.
Die kollektive Depression
Nachdem ich ausgemustert worden war, vergass ich Andermatt. Selbst in meinen wirrsten Träumen wäre ich nie auf die Idee gekommen, dieses Kaff am Fuss von Gotthardmassiv und Oberalppass je wieder zu besuchen. Zumindest nicht freiwillig. Das Einzige, was ich von Andermatt aus der Distanz noch mitbekam, war sein Absturz in die Bedeutungslosigkeit; das böse Erwachen der Einheimischen, als sich die Armee nach dem Ende des Kalten Krieges aus der Alpenfestung zurückzog. Man hatte gut gelebt von den anspruchslosen Soldaten, die abends die Beizen füllten. Die Wirte brauchten bloss die Hand aufzuhalten. Mühe geben mussten sie sich nicht.
Die ebenso komfortable wie gefährliche Situation hatte dazu geführt, dass Andermatt die touristische Entwicklung komplett verschlafen hatte. Neben den paar rudimentären Restaurants gab es knapp eine handvoll Herbergen. Die einen waren renovationsbedürftig, die andern eine glatte Zumutung. Um die Transportanlagen stand es kaum besser. Sind viele Skifahrer da, musst du warten, sind wenige da, wartest du auch, frotzelte man im Dorf. Die jungen Leute suchten ihr berufliches Glück im Unterland, Andermatt verfiel in eine kollektive Depression. Wovon sollte man jetzt leben?
The Chedi – ein schlechter Witz?
Und dann das! Im Jahr 2005 flog der ägyptische Investor Samih Sawiris über das Tal – und war begeistert. Er ortete in Andermatt ein gewaltiges Potenzial. Sawiris´ Vision, die von Bundesrat, Urner Regierungsrat und schliesslich von den Einheimischen mit über 90 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen wurde: ein Resort mit Hotels, Appartements, Villen, Kongresseinrichtungen, Schwimmbad und einem 18-Loch-Golfplatz. Zudem sollten die Skigebiete Andermatt und Sedrun zusammengelegt werden. Kosten: total 1,8 Milliarden Franken. Und im Mittelpunkt Das Märchen von Andermatt sollte nicht irgend ein Hotel stehen, sondern The Chedi. Als Glanzpunkt mit magnetischer Wirkung auf die ganze Welt.
Ein Chedi in Andermatt? Als ich erstmals davon hörte, glaubte ich an eine Falschmeldung oder einen schlechten Witz. Denn wer die Chedis auf Bali und das Chedi Muscat im Oman kennt, weiss: Chedis sind keine Hotels im herkömmlichen Sinn, sondern atemberaubend raffinierte Gesamtkunstwerke, in denen ein unvergleichlicher Lebensstil gepflegt wird. Von der Servicekultur ganz zu schweigen. Im Chedi Muscat etwa ist die Stimmung nach Sonnenuntergang so friedlich wie zu Beginn der Schöpfungsgeschichte.
Rückkehr nach über 40 Jahren
Doch das Ganze war weder ein Fake noch ein Witz, und so zwang mich The Chedi tatsächlich wieder nach Andermatt. Erstmals nach über 40 Jahren. Und weil ich schon mal oben war, fuhr ich auch noch durchs Dorf. Den Schlüssel, den Löwen und die Bergidylle, wo wir uns aus Langeweile des öftern ins Elend gesoffen hatten, fand ich nicht mehr. Dafür hatten sich ein paar kleine Hotels, die ich als Bruchbuden in Erinnerung hatte, ganz schön herausgeputzt. Wo einst das Restaurant Alte Apotheke stand, entdeckte ich mit dem River House gar ein schmuckes neues Boutique-Hotel. Und der Bären hatte es gar in die Gourmetführer geschafft. Nichts, aber auch gar nichts erinnerte an das trostlose Nest von einst.
Top-Kulinarik auch auf der Piste.
Die Zahl jener, die beim Thema Andermatt noch immer die Hände verwerfen, ist in den vergangenen Jahren denn auch massiv geschrumpft. Übrig geblieben sind meist Männer im fortgeschrittenen Alter, die dort zu den tristesten Jahreszeiten missmutig ihren militärischen Pflichten nachkamen. Sie wollten den Ort nie mehr sehen und waren auch nie wieder oben. Ihr Urteil über Andermatt ist entsprechend militärgeschädigt. Verständlicherweise. Meines war´s ja auch.
Karl Wild